Der ARTSPACE BERG & TAL ist ein ungewöhnlicher Kunstraum in einem Bistro in Kooperation mit der Galerie KW/Randlage, ein Projekt, initiiert von Tatjana Rettig (Inhaberin Berg & Tal) und Volker Schwennen (Kurator und Künstlerischer Leiter KW/Randlage). Mit wechselnden Ausstellungen soll ein weiterer Ort der Kunstpräsentation und des Austausches in Worpswede geschaffen werden. Die kuratierten Künstler:innen kommen sowohl aus Worpswede als auch anderen Städten; ebenso sind Kooperationen mit Studierenden von Kunsthochschulen vorgesehen. Immer wieder soll Neues zu sehen sein und an bestimmten Tagen werden mit Vorträgen, Lesungen, Artist:Talks und weiteren Performances lebendige Veranstaltungen und offene Treffpunkte angeboten. Kontakt: KW/RANDLAGE, 04792 9878-350, vs@kw-randlage.de, www.kw-randlage.de


KW/Randlage ARTSPACE BERG & TAL
Tatjana Rettig & Volker Schwennen
Open: Do-Sa 17-22 Uhr, So 14-20 Uhr


MARIE S. UELTZEN
ANNA HEYDEL
Ausgewählte Werke
März/April 2022
Opening: Mittwoch, 30.03.22 ab 20 Uhr
Bergstr. 5b, 27726 Worpswede

KW/Randlage ARTSPACE BERG & TAL
Tatjana Rettig & Volker Schwennen
Open: Do-Sa 17-22 Uhr, So 14-20 Uhr


MARIE S. UELTZEN

Geschichten von den großen Herausforderungen in einer vielfältigen Welt


Die großen Aufgaben und Herausforderungen im Leben stellen ein prägendes Motiv vieler Werke von Marie S. Ueltzen dar. Deutlich wird dies bei dem Bildteppich „Vogeljunges“ von 2013. Ein riesiger Kuckuck mit weit aufgerissenem Schnabel wird von einem winzigen Vogel gefüttert, während ein Specht auf seinem Kopf herumhämmert und symbolisch für das Abmühen oder unterschiedliche Erziehungsmethoden stehen könnte. Die Eltern scheinen viel zu klein, wir Menschen sind viel zu klein, um die großen Aufgaben im Leben allein zu bewältigen. Und dann ist da noch das Wesen im linken oberen Rand, welches unweigerlich an Mary Poppins erinnert, jener unkonventionellen Erzieherin, die es schafft, Kinder in Abenteuer zu verwickeln, die es womöglich gar nicht gegeben haben soll – Mary Poppins ist eine Zauberin. Wie sie aus dem Nichts auftaucht, verschwindet sie auch wieder, verändert aber im Verhalten der mit den bisherigen konventionellen Methoden erziehungsresistenter Kinder (und Eltern) Einiges zum Besseren.
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In ihrer „Unendlichen Serie“ seit 2013 spielt Marie S. Ueltzen oft mit kleinen Geschichten, selektiert Szenen, verbindet Bild mit Text und gibt vielfach über den Bildtitel Hinweise. Arie Hartog (Kurator und Direktor des Bildhauermuseums Gerhard-Marcks-Haus in Bremen) schrieb im Vorwort ihres aktuellen Katalogs Erstickungen: „Hier wird gesampelt. Die Reihe spiegelt ihren eigenen Medienkonsum. Und es offenbart sich derjenige ihren Betrachtenden.“ Dennoch sind Marie S. Ueltzens Werke nicht immer leicht zu lesen, denn sie legt nur Spuren aus und verführt uns in ein „Gedankenmachen“ über vielmals tradierte Muster und (somit) stets aktuelle Themen. Ihre Erzählungen sind Geschichten von den großen Herausforderungen in einer vielfältigen Welt.

Manche dieser Bilder sind sehr tiefgründig und ernst, wieder andere haben viel Witz und Ironie, so „Turbo et Corbi“, wo ein festlich gekleideter Hase abgebildet ist. Hier drängt sich der Segen Urbi et Orbi auf, der in besonders feierlicher Form zu Festtagen wie Ostern erteilt wird. Urbi et Orbi ist selbst schon ein Wortspiel aus den lateinischen Begriffen für Stadt und Erdkreis um die Stellung (und Macht) des Papstes sowohl als Bischof von Rom als auch weltweites Oberhaupt der katholischen Kirche zu verdeutlichen. Ueltzen verbindet den Segen mit dem Brauchtum um die umstrittene Symbolfigur des fleißigen Osterhasen, der bunt bemalte Ostereier versteckt, die Kinder suchen sollen, während die Erwachsen sich dabei amüsieren. Turbo gleich schnell und Corbi als Fantasiewort für das Körbchen. Aufschlussreich sind die manchmal zusätzlich gereichten kleinen Texte zu einzelnen Werken der „Unendlichen Serie“, welche Einblicke in die Recherchearbeit der Künstlerin gibt.

„In diesen Werken herrscht ein grundsätzliches Vertrauen in die Fähigkeit von Menschen, Kunstwerke in ihrer Komplexität lesen zu können. Wo notwendig, wird ein Hinweis auf hilfreiches Hintergrundwissen verpackt“, so Hartog: „Diese Bilder können weh tun, müssen es aber nicht. Sie stammen aus den Tiefen der Popkultur (auch Worpswede war mal „in“) und zeigen immer mehr“. (Text: Volker Schwennen, KW/Randlage)


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Marie S. Ueltzen verbindet in ihren Bildteppichen den Klosterstich des Mittelalters mit Acrylfarbe auf Jute. Sie lebt und arbeitet derzeit in Bremen und Worpswede; erhielt 2020 den Sonderpreis des PMB-Kunstpreises für ihr bisheriges Gesamtwerk. Sie stellte im In- und Ausland aus und ihre Werke befinden sich in zahlreichen Privat- und öffentlichen Sammlungen (u.a. St. Petri Domgemeinde, Große Kunstschau, Kunstsammlung Landkreis Osterholz). 2016 veröffentlichte sie ihre autobiographische Erzählung „Früher ist hinten“. Vertreten wird sie von der Galerie KW/Randlage. Vom 12.03. - 24.04.22 sind einige Werke in der Galerie Grolman in Berlin zu sehen.


KW/Randlage ARTSPACE BERG & TAL
Tatjana Rettig & Volker Schwennen
Open: Do-Sa 17-22 Uhr, So 14-20 Uhr


ANNA HEYDEL

Unbekanntes sichtbar machen


Viele bunte Punkte auf schwarzem Grund sind zu sehen, vereinzelt ziehen sich geschwungene Linien durchs Bild, werden Formen sichtbar, die oftmals wieder nebelhaft verschwimmen. Erinnerungen an Großstadtlichter werden wach, Strukturen wahrnehmbar. Ästhetisch aber uneindeutig sind die Bilder, mit denen uns Anna Heydel konfrontiert.

Wer andere Arbeiten von ihr kennt, aber weiß, dass ein prägendes Element ihrer Kunstproduktion die sehr verbreitete Brailleschrift ist – eine international von Blinden und stark Sehbehinderten genutzte Schrift. Ein Buchstabe besteht aus sechs Punkten, die meist von hinten in Papier geprägt werden und so mit den Fingerspitzen ertastet werden können.

Die von Anna Heydel benutzte Brailleschrift erfüllt keinen praktischen Nutzen, sondern wird Mittel zum Zweck und zuweilen Ausgangspunkt für ebenso umfangreiche Arbeitsprozesse. Sie erforscht die Komplexität der vornehmlich visuellen Wahrnehmung. So erstellt sie in dieser Arbeit am Rechner zunächst Wörter in Brailleschrift, die allesamt Synonyme für das Sehen sind, verschiebt diese, überlagert sie und entscheidet sich dann für eine ästhetische Form, die sie selbst „digitale Skulptur“ nennt.

Drei Vorlagen, welche bereits einer Manipulation unterzogen wurden, projiziert sie nacheinander mit einem Beamer in Räume, auf Treppenaufgänge und Hauswände, statische oder flüchtige Hintergründe, Oberflächen und Objekte. Sie nutzt das Dunkel der Nacht, die Lichteinwürfe des Projektors und hält diese erneuten Überlagerungen und Verwischungen mit der Kamera fest.

Die anfänglich konzeptuelle Ebene überführt sie über eine abstrakte, räumliche auf eine erneut digitale. Mit den entstehenden Fotografien untersucht sie weitere Möglichkeiten der Verfremdung und Verformung, verlagert mit dieser Arbeitsweise ihr eigenes Sehorgan in den Raum und ermöglicht einen konkreten Eingriff in die Realität. So macht sie auf verschiedene Weise bislang Verborgenes und Unbekanntes sichtbar.
(Text: Volker Schwennen, KW/Randlage)

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Die gezeigten Arbeiten der Serie „MinusMinusPlus“ entstanden 2021 im Kunst- und AtelierHaus6, zu deren Akteur:innen Anna Heydel gehört und zudem Vorsitzende des Atelierhausvereins Folge6 ist. Anna Heydel wurde 1982 in Guayaquil / Ecuador geboren, studierte Politikwissenschaften in Marburg, war Lektorin bei der Frankfurter Rundschau und Projektleiterin der Sommerakademie des Fotografie Forum Frankfurt. Einige Jahre verbrachte sie auf Sardinien und lebt und arbeitet derzeit in Worpswede. 

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